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Pressemitteilung des Freundeskreises Flüchtlingssolidarität zum »Mannheimer Urteil«, zugestellt am 13.4.22 Alassa Mfouapon ./. Land Baden-Württemberg

Große politische Erfolge und ein juristischer Eiertanz

Normalerweise werden Gerichtsurteile am Ende einer Verhandlung oder allenfalls am Ende des Sitzungstages verkündet. Im Falle des Urteils zur Berufung von Alassa Mfouapon gegen das Land Baden-Württemberg zum rechtswidrigen Polizeieinsatz am 3. Mai 2018 brauchte der erste Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg über zwei Wochen, um sein Urteil zu formulieren. Kläger Alassa Mfouapon dazu: »Das Urteil beinhaltet äußerst bedeutsame Fortschritten in den demokratischen Rechten und Freiheiten für Flüchtlinge und schafft doch das Kunststück, meiner Berufung dennoch nicht recht zu geben.«

Alassa Mfouapon betont weiter, „dass der politische Protest und die anfangs teils skeptisch beurteilten juristischen Schritte gegen einen der größten Polizeieinsätze gegen Flüchtlinge in Deutschland einen zentralen Anteil an den erkämpften Fortschritten hatten. Es wurden in Verbindung mit der Auseinandersetzung auch große Fortschritte in der Selbstorganisation der Flüchtlinge und der mit ihr verbundenen Solidaritätsbewegung erreicht.

Er charakterisiert im einzelnen sieben bedeutsame politische Errungenschaften des Urteils:

  1. Der VGH folgt klar der Ansicht, dass das Zimmer in einer LEA/Flüchtlingsunterkunft eine Wohnung ist.
  2. Der VGH stellt fest, dass dementsprechend das vorherige, anderslautende Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart falsch ist.
  3. Der VGH stellt fest, dass der Vortrag der Vertreter des Landes-Baden-Württemberg, es würde sich bei Flüchtlingsunterkünften nicht um Wohnungen handeln, gegen Gesetz und Verfassung verstößt. Allein das schon eine schallende Ohrfeige für den grünen Nimbus, Gralshüter der Menschenrechte und darauf ausgerichteter »werteorientierter« Politik zu sein.
  4. Der VGH stellt fest, dass die sogenannte Razzia nicht nur wegen der „Nachtzeit“ rechtswidrig war (wie es bereits das VG Stuttgart festgestellt hatte), sondern auch wegen rechtswidrigen Eingriffs in Art. 13 Grundgesetz.
  5. Der VGH stellt fest, dass es für Durchsuchungen einen Gerichtsbeschluss braucht, dessen Notwendigkeit von Landesregierung und Polizei stets bestritten wurde und der im Falle der L EA Ellwangen auch nicht vorlag.
  6. Der VGH stellt fest, dass wesentliche Passagen der Hausordnung der LEA Ellwangen unwirksam sind, da sie gegen das Gesetz verstoßen – übrigens kein Einzelfall, sondern angeordnete häufige Praxis in Baden-Württemberg.

All diesen bemerkenswerten und politisch bedeutsamen Feststellungen zum Trotz folgt dann der Salto Mortale: die konkrete Klage von Alassa Mfouapon wird zurückgewiesen. Sein Zimmer sei nicht – wie es unrechtmäßig wäre – durchsucht, sondern nur – wie es rechtmäßig sei – betreten worden. Der Unterschied sei, dass er sich nicht gewehrt habe! Er habe sich mindestens Handschellen anlegen lassen müssen, um seinen Widerstand zum Ausdruck zu bringen. Petra Sauter, Sprecherin des Freundeskreises Flüchtlingssolidarität in NRW dazu: »Hier ist das Urteil geradezu zynisch. Wer wehrt sich aktiv im Umfeld von schwer bewaffneten Polizeikräften mit Polizeihunden, die den ausdrücklichen Auftrag hatten, auch Gewalt anzuwenden? Und nebenbei: Alassa Mfouapon wurde in einem anderen Verfahren wegen Widerstands gegen Polizisten verurteilt und brutale Maßnahmen bei seiner Abschiebung damit gerechtfertigt.«

Im Klartext: grundsätzlich ist die Klage vollkommen richtig und angebracht, haben Landesregierung und die Polizei schwer gegen Menschenrechte verstoßen – aber die Berufung von Alassa Mfouapon wird abgewiesen! Wo käme man auch hin, wenn ein einfacher Flüchtling gegen eine vom grünen Ministerpräsidenten Kretschmann geführte Landesregierung und einem vom schwarzen Innenminister Strobl geführten Polizeiapparat Recht bekäme? Ein Flüchtling, der im Internierungslager in Libyen und bei der dramatischen Flucht übers Mittelmeer dem Tod von der Schippe gesprungen ist, der trotz Shitstorm an rechter Hetze von BILD bis Alice Weidel und brutaler Abschiebung seine Würde und sein Rückgrat behalten, ja gestärkt hat?

Doch offenbar ist dem Gericht selbst nicht ganz wohl bei diesem Urteil. So folgt – völlig ungewöhnlich – eine Entscheidung, die einen weiteren bedeutenden Erfolg dokumentiert:

  1. Der VGH lässt wegen der Brisanz und Bedeutung der Sache Revision beim Bundesverwaltungsgericht zu.

All das sehen Alassa Mfouapon und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter auch als Herausforderung, im konsequenten Kampf um Flüchtlingsrechte nicht nachzulassen.

Fachkundige Auskunft über politische Relevanz des Urteils ebenso wie den juristischen Dschungel gibt

Rechtsanwalt Meister, 0209- 359 7670

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