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Pressemitteilung zur Prozess Alassa Mfouapon gegen das Land Baden Württemberg. „Flüchtlinge ziehen stolz vor das Bundesverwaltungsgericht: Teilerfolg für Flüchtlingsrechte – Rechtsentwicklung des Bundesverwaltungsgerichts“

Heute wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht die Revision von Alassa Mfouapon gegen das Land Baden-Württemberg sowie von Ba Gando wegen der Hausordnung der Landeserstaufnahmeeinrichtung Freiburg verhandelt. Das Urteil ist zweischneidig: »Es ist ein Erfolg, dass das Bundesverwaltungsgericht anerkennen musste: eine Flüchtlingsunterkunft ist ein geschützter Wohnraum im Sinne des Artikels 13 des Grundgesetzes!“, so der Anwalt Roland Meister. Alassa Mfouapon erklärt: „Das ist Ergebnis einer breiten und von vielen Organisationen getragenen Protestbewegung und Initiativen der Flüchtlinge selbst. Ohne diese Klagen wäre dies gar nicht zu Stande gekommen!“
Dennoch wies das Gericht beide Klagen ab und urteilte im Sinne der Rechtsentwicklung Flüchtlingspolitik, wie sie derzeit überall zu beobachten ist.

Doch von vorne: Der Tag begann mit einer kämpferischen Kundgebung vor dem imposanten Bau des Gerichts in Leipzig. Gut 50 Personen brachten ihre Solidarität zum Ausdruck: Da waren Organisationen wie federführend der Freundeskreis Flüchtlingssolidarität, die Gesellschaft für Freiheitsrechte, Solidarität International sowie „Aktion Bleiberecht“ Freiburg. Auch die Jugendorganisationen Rebell und Young Struggle, die MLPD, die Frauenorganisationen Zora und Courage, Kollegen von Verdi und der IGM, Jura-Studenten und eine Reihe junger migrantischer und deutscher Flüchtlingsaktivisten waren angereist. Zum ersten Mal trafen sich die zwei Klägergruppen – Alassa Mfouapon und seine Freunde und eine Gruppe von Flüchtlingen aus der Landeserstaufnahmeeinrichtung in Freiburg. Sofort wurde sich verbrüdert und alle brachten am offenen Mikrofon ihre Anliegen vor.

Der Vorsitzende Richter stellte eindeutig klar, dass das Zimmer von Alassa in der Erstaufnahmeeinrichtung Ellwangen als Wohnung gilt und entsprechenden Schutz genießt. Einzelne schikanöse Regularien in der Hausordnung der LEA Freiburg wurden als rechtswidrig gekennzeichnet. Das widerspricht der bisherigen Auffassung und Praxis der Behörden sowie Polizei, jederzeit den einzigen Rückzugsraum von Flüchtlingen betreten zu dürfen.

Ein Affront war, dass der Vorsitzende Richter, Dr. Keller, Alassa Mfouapon nach nur zwei Sätzen harsch das Wort entzog, als dieser als eigentlicher Kläger zum Fall sprechen wollte. Er solle weder zu den konkreten Vorgänge am 20. Juni sprechen, noch politisch werden. Dabei hatten die Juristen vorher Wortbeiträge von bis zu 20 Minuten gehalten. Das zunächst so souverän wirkende, altehrwürdige Gericht wurde sichtlich nervös, was der Sprecher dieser Flüchtlingsbewegung in den heiligen Hallen sagen wolle. Dafür ist zu wissen, dass die Freiburger Klägergruppe sich leider entschieden hatte, dass die Flüchtlinge selbst nur im Zuschauerraum Platz nahmen. Während der 2,5 Stunden Verhandlung um elementare Flüchtlingsrechte gab der Vorsitzende Richter also Flüchtlingen keine Gelegenheit zu Diskussionsbeiträgen. Es bedurfte mehrerer anwaltlicher Interventionen und Willensäußerungen aus dem Zuschauerraum, den Richter zu bewegen, Alassa Mfouapon am Ende doch noch das Wort zu erteilen, womit Alassa dann auch das letzte Wort hatte: „Das Verhalten der Polizei am 20. Juni war von Anfang an rechtswidrig. Es war vorgeplant: Alassa muss nach Italien abgeschoben werden, egal welche Grundrechte verletzt werden. Heute wurden die Emotionen und die Erfahrungen von uns Flüchtlingen nicht angehört. Doch ich bleibe stur: wir sind Flüchtlinge, keine Kriminellen, die Polizei hat sich rechtswidrig verhalten.“ »Dies war ein kleiner Erfolg, das gebotene rechtliche Gehör durchzusetzen«, so sein Anwalt Roland Meister. Der komplette Redebeitrag von Alassa kann hier gelesen werden. https://freunde-fluechtlingssolidaritaet.org/der-untersagte-redebeitrag-von-alassa-m-vorm-bvg-heute

Kompetent, argumentativ stark und mit kämpferischem Geist traten die Rechtsanwälte Meister, Lincoln und Deppner auf und ließen die kleinlauten, aber reaktionären Vertreter der Stadt Freiburg und die Regierungsdirektorin vom Land Baden-Württemberg Pförtner alt aussehen. So machte Sarah Lincoln von der Gesellschaft für Freiheitsrechte klar: „Es kann nicht sein, dass einerseits der § 13 Grundgesetz auch auf Flüchtlingsunterkünfte angewendet wird, es zugleich dennoch normal ist, ohne richterliche Anordnung, nachts, gegen Grundrechtsinhaber deren Wohnung zu betreten, nur um eine Dublin-Überführung durchzuführen.“

Vor allem das Land Baden-Württemberg hatte bereits im Vorfeld sein reaktionäres Ansinnen deutlich gemacht: „Die illegale Zuwanderung ist eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit“, so das Land. Die Vertreterin bat das Gericht um eine grundsätzliche Entscheidung, Durchsuchung und Betreten das Zimmers einer Flüchtlingsunterkunft zu unterscheiden, um künftig das Betreten durch Polizeibeamte problemlos zu ermöglichen.
Der Vertreter der Stadt Freiburg hielt es wiederum für „keinen schwerwiegenden Grundrechtseingriff“, wenn Flüchtlinge in Freiburg jederzeit ihre Taschen durchsucht bekommen.

Das Urteil selbst muss man differenziert betrachten, so der Essener Jurist Meister. Empörend ist, dass das Betreten und die faktische Durchsuchung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes keiner richterlichen Anordnung bedürfen. Die Begründung folgt einer abenteuerlichen Interpretation des Begriffs der „Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“.« Ein Begriff, der normalerweise mit Situationen der unmittelbaren Bedrohung von Leib und Leben einhergeht, berichtet der Anwalt. »Tatsächlich interpretierte das Gericht es als Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, wenn es misslingen würde, dem betreffenden Flüchtling noch am selben Tag abzuschieben.« So heißt es im Urteil über die am 20. Juni vollzogene Abschiebung von Alassa, nachdem die Polizei in sein Zimmer eingedrungen war: „Das Betreten des Zimmers war des Weiteren zur Verhütung einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nach Art. 13 Abs. 7 GG erforderlich, weil es galt, den vollziehbar ausreisepflichtigen Kläger noch am selben Tag nach Italien zu überstellen.“
Das ist eine ungeheuerliche Diskriminierung von Alassa – aber macht auch deutlich, welche Angst das Land Baden-Württemberg in der aufgewühlten Situation nach der Großrazzia der Polizei in Ellwangen vor dem Sprecher der Flüchtlinge Alassa hatte.

Der Freundeskreis Flüchtlingssolidarität sieht in diesem Urteil eine Widerspiegelung der gegenwärtigen Rechtsentwicklung in strafrechtlichen Entscheidungen und den Ergebnissen des Asyl-Gipfels der EU. 

Meister kündigte nach Rücksprache mit seinem Mandanten Alassa Mfouapon an, eine Verfassungsbeschwerde gegen dieses Urteil vor dem Bundesverfassungsgericht einzureichen. »Unseres Erachtens verstößt dieses Urteil nicht nur gegen das Grundgesetz sondern auch gegen die europäische Menschenrechtskonvention (EMK). Es ist deshalb im Interesse jedes demokratisch denkenden Menschen, gegen diese Richtung der Einschränkung der Grundrechte und -freiheiten von Geflüchteten weiter vorzugehen.«

Im Anschluss wurde der Prozess in einer kurzen Kundgebung ausgewertet. Ein Flüchtling aus Sachsen meldete sich als Letzter zu Wort und sagte: „Ich bin stolz auf diesen Tag und es ist mir eine Ehre, hier mit euch zu sein. Wir werden siegen!“ Unabhängig vom heutigen Urteil – damit hat er Recht.

Im Anschluss fand noch eine Kundgebung von Leipziger Initiativen statt: „we want home, no Camps“. Zu einer gemeinsamen Kundgebung waren sie aus kleinkarierten Gründen leider nicht bereit. Doch schließlich sorgten dann Teile der Initiative dafür, dass Alassa seinen kompletten Beitrag, den er vor Gericht nicht halten durfte, vor den rund 40 Jugendlichen vortrug, von vielfachen Zwischenapplaus unterbrochen.

Weitere Informationen dazu werden auf der Homepage des Freundeskreises veröffentlicht.

Freundeskreis Flüchtlingssolidarität in SI, Regionalgruppe Ost – www.freunde-fluechtlingssolidaritaet.org
Spenden über: „Solidarität International e.V.“, IBAN: DE86 5019 0000 6100 8005 84, Stichwort: „Flüchtllingssolidarität“
change.org/alassa und change.org/evakuierung

de_DEDeutsch
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